In Karlshorst, einem Ortsteil des Bezirks Lichtenberg, war das Interesse im Innenhof eines Mehrfamilienhauses der HOWOGE während eines spätsommerlichen Dienstags im vergangenen Jahr groß: Mieter:innen nutzen die Gelegenheit, mehr über das Forschungsprojekt STABLE, von dem sie ein wichtiger Teil sind, zu erfahren. STABLE steht für „Social Transformation of the Building Sector“. Das Projekt entwickelt anhand des Beispiels zweier Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 78 Wohnungen ein Energiekonzept, das zeigen soll, wie die Energiewende im deutschen Gebäudebestand gelingen kann - im Einklang mit den Interessen der betroffenen Mieter:innen.
Die transparente Kommunikation und Berücksichtigung von Ideen und Wünschen der Bewohner:innen zeichnet das Projekt aus.
Stephanie Bund | TU Dortmund
Starke Partner an der Seite
Die HOWOGE fungiert in dem vierjährigen Projekt als Praxispartner, wissenschaftlich begleitet wird es von der Sozialforschungsstelle der TU Dortmund und den Lehrstühlen für Gebäude- und Raumklimatechnik sowie für Energiesystemökonomik der RWTH Aachen. Finanziell gefördert wird es durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Die Projektpartner eint dabei vor allem das Bestreben, einen Beitrag zum Sustainable Development Goal Nr. 7 beizutragen, wie Stefanie Eichhorn betont, die das Projekt aufseiten der HOWOGE begleitet. Das Ziel besagt, dass alle Menschen Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher und moderner Energie haben sollen.
Als kommunale Wohnungsbaugesellschaft haben wir einerseits den Auftrag, unseren Wohnungsbestand klimaneutral auszurichten und Ressourcen zu schonen. Andererseits wollen wir auch zuverlässig bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen, Versorgungssicherheit schaffen und regenerative Energien in den Strommix integrieren. Für die Umsetzung dieser Ziele haben wir mit der RWTH Aachen und der TU Dortmund ideale Partner gefunden.
Stefanie Eichhorn | HOWOGE
Entwicklung eines klimafreundlichen Energiesystems
Die RWTH Aachen beschäftigt sich im Projekt mit Fragestellungen zu Energieökonomik, -politik und -technik, die wiederum Themen wie Energiemarktszenarien, Energiearmut und Lebenszyklusanalysen umfassen. Basierend darauf werden Energiesysteme, die für das Projekt infrage kommen, analysiert, wobei unter anderem das Nutzungsverhalten der Bewohner:innen und mögliche Energiequellen eine wichtige Rolle spielen. Konkret bedeutet dies für die Mehrfamilienhäuser in Karlshorst, dass die am Ende ihrer Betriebslaufzeit stehenden Gaskesselanlagen genau unter die Lupe genommen werden. Die HOWOGE Wärme und die RWTH Aachen werden gemeinsam ein neues klimafreundliches Energiesystem für die Wohnanlage entwickeln und umsetzen, in dem vornehmlich erneuerbare Energien zum Einsatz kommen sollen.
“Durch die Nutzung digitaler Werkzeuge, wie Simulationen und Optimierungsmodelle, sollen soziale, ökologische und ökonomische Faktoren berücksichtigt werden und somit ein innovatives und für alle Akteur:innen zufriedenstellendes Energiekonzept entwickelt werden.”, sagt Larissa Kühn, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik der RWTH Aachen. Nach Inbetriebnahme wird das Energiesystem kontinuierlich geprüft und feinjustiert, sowie der Betrieb durch ein Energiemanagementsystem, welches auch Nutzer:innen einbeziehen soll, optimiert.
Entwicklung Energiekonzept
Im Projekt wird ein Optimierungsmodell für die Technologieauswahl- und Auslegung eines Energiesystems entwickelt, welches alle Anforderungen an ein klima- und sozialverträgliches MFH berücksichtigt.
Mieter:innen in den Prozess einbinden
Maßgeblich für den Erfolg des Projekts ist neben der technischen Umsetzung die Frage, wie die Mieter:innen von Beginn an in die Prozesse einbezogen und welche Ideen für das Konzept gemeinsam erarbeitet werden. An diesem Punkt kommt die Sozialforschungsstelle der TU Dortmund ins Spiel, die den Partizipationsprozess der Mieter:innen verantwortet. “Wir haben einen Beteiligungsprozess geplant, der die Mieterinnen und Mieter zu unterschiedlichen Zeitpunkten während der gesamten Projektlaufzeit einbindet. Die transparente Kommunikation und Berücksichtigung von Ideen und Wünschen der Bewohner:innen zeichnet das Projekt aus”, so Stephanie Bund. Aufbauend auf dem ersten persönlichen Kontakt beim Infotag und den Ergebnissen der quantitativen Befragung hat Stephanie Bund von der TU Dortmund im Herbst 2023 qualitative Interviews mit den Bewohner:innen durchgeführt. Dabei wurde deutlich, dass der eigene Energieverbrauch und der Umstieg auf klimafreundliche Alternativen wichtige Aspekte sind. Ein Thema, was bei den Bewohner:innen kontrovers diskutiert wurde, waren Fragen bezüglich der sozialen Gerechtigkeit. Viele seien zwar froh, in Berlin eine bezahlbare Wohnung gefunden zu haben, hätten aber gleichzeitig Ängste, in einem stark veränderten Nachbarschaftsumfeld zu leben, so Stephanie Bund.
Wie geht es weiter?
Die Bedürfnisse und Meinungen der Bewohner:innen sollen nun in einem nächsten Schritt im Rahmen eines Workshops diskutiert werden - diesmal unter Berücksichtigung der Perspektive von Expert:innen aus unterschiedlichen wirtschaftlichen, technischen und sozialen Bereichen wie Verbänden, Intermediären und Verbrauchervertretungen. „Ziel ist es, an diesem Punkt im Partizipationsprozess, erste Wünsche, Ängste und Ergebnisse aus den Befragungen und Interviews mit Expertinnen und Experten rückzukoppeln, um den Mieterinnen und Mietern im nächsten Schritt eine Einordnung ihrer Vorstellungen geben zu können”, so Stephanie Bund. Entstehen soll daraus ein Anforderungsprofil für ein Energiekonzept, das unterschiedliche Faktoren bei der Einführung berücksichtigt und in enger Abstimmung mit den Mieter:innen, zum Beispiel im Rahmen eines weiteren Infotages, weiterentwickelt wird. Stefanie Eichhorn erhofft sich, dass sich am Ende aus dem Projekt eine Blaupause für eine nachhaltige Energiewende im Gebäudebestand für weitere HOWOGE Quartiere in Berlin ergibt - und im Idealfall für Wohnviertel in ganz Deutschland.