Forschungsprojekt Urban Heat Labs

Hitzevorsorge in der High-Deck-Siedlung

Die denkmalgeschützte High-Deck-Siedlung in Berlin-Neukölln steht für die städtebaulichen Visionen der 1970er-Jahre. Sie ist bekannt für ihre höherliegenden Flächen („High-Decks“), über welche die Anwohnenden ihre Wohnungen erreichen. Heute ist sie jedoch aufgrund ihrer baulichen Struktur stark von urbaner Hitze betroffen. Gemeinsam mit den Bewohner:innen sollen daher in einem ausgewählten Teilbereich der Siedlung klimaangepasste Lösungen entwickelt und getestet werden, die das Quartier kühlen und zukunftsfähig machen. So können verschiedene Maßnahmen, die der Hitzevorsorge und Aufenthaltsqualität dienen, vor Ort ausgetestet werden – stets im Dialog mit den Mieter:innen. Das Besondere: Die Ansätze sollen nicht nur funktional, sondern auch denkmalgerecht sein, um die einzigartige Architektur und Geschichte der High-Deck-Siedlung zu bewahren.

Das Projekt „Urban Heat Labs“ soll – als ein Baustein der Hitzeschutzstrategie des Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen – Erkenntnisse zu Erfolgsfaktoren bei der wirksamen Umsetzung von Maßnahmen der Hitzevorsorge für den Transfer in die kommunale Praxis liefern. Die acht Modellvorhaben, so auch unser „Reallabor Hitzevorsorge in der High-Deck-Siedlung in Berlin-Neukölln“, dienen dazu, übertragbare Ansätze für die Hitzevorsorge in Städten zu generieren. Darüber hinaus steht die Zusammenarbeit mit den betroffenen Personengruppen, städtischen und staatlichen Akteuren, im Fokus.

Das Reallabor bietet eine ideale Möglichkeit, klimaangepasste, nachhaltige Maßnahmen der Hitzevorsorge zu erproben. Dabei ist uns die Zusammenarbeit mit den Anwohnenden genauso wichtig wie der Erhalt der baulichen Struktur.

Henriette Nagel | Referentin Quartiersentwicklung

Interview mit Henriette Nagel 

Wie die HOWOGE den Herausforderungen der urbanen Hitzeentwicklung in dem denkmalgeschützten Quartier begegnen möchte, erläutert Henriette Nagel, Referentin für Quartiersentwicklung.

In der High-Deck-Siedlung ist das Thema urbane Hitze aufgrund der dortigen baulichen Struktur von besonderer Relevanz. Und, wir stehen vor der besonderen Herausforderung, Maßnahmen umzusetzen, die sowohl von den Bewohner:innen akzeptiert und unterstützt werden als auch dem Denkmalschutz entsprechen.

Im „Reallabor Hitzevorsorge in der High-Deck-Siedlung in Berlin-Neukölln“ haben wir eine ausgezeichnete Möglichkeit, Maßnahmen der Hitzevorsorge zu erproben und zu verstetigen.

Ein Reallabor ist eine neue Form der Kooperation zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Dabei steht das gegenseitige Lernen in einem experimentellen Umfeld im Vordergrund. Das bedeutet konkret: Testen von neuen Lösungsansätzen unter Bedingungen räumlich vor Ort, aber auch zusammen mit den Menschen, die dort zuhause sind, die von den Lösungen profitieren und im besten Falle daran mitwirken.

In der High-Deck-Siedlung haben wir hochgelagerte, wetter-exponierte Fußgängerzonen (High-Decks) sowie die darunter liegende Straßen-/ Stellplatzebene vorliegen. Aufgrund dieser funktionsgetrennten und großflächig versiegelten Erschließung der Siedlung verfolgen wir die Umgestaltung der öffentlichen Räume mit dem Ziel der Hitzevorsorge. Die obere Fußgänger-Ebene, die am stärksten von Hitze betroffen ist, gilt es, als Reihe von Freiräumen zum Ruhen und für die Zusammenkunft mit Möglichkeiten zu Spiel und Gärtnern zu qualifizieren.

Damit neue Räume angenommen, bespielt und genutzt werden, sind partizipativ entwickelte, temporäre Testflächen vorgesehen, die im Rahmen eines Reallabors entwickelt und umgesetzt werden. Denkbar sind dabei beispielsweise:


  • vegetative und bauliche Verschattungselemente mit Mehrfachnutzen bzw. -funktion
  • die Nutzung und Implementierung kühlender Infrastruktur sowie Regenwassernutzung für Bewässerung und Kühlung

Die Maßnahmen möchten wir auf den High-Decks, stellenweise auch auf der Straßenebene / Stellplatzebene durchführen und testen. Tatsächlich ist der genaue Maßnahmenaufbau und -umfang jedoch mit den Beteiligten gemeinsam zu entwickeln. Erst danach wird die konkrete Beschreibung möglich sein.


Insgesamt kann die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Zivilgesellschaft in Reallaboren dazu beitragen, dass nachhaltige Lösungen entwickelt und umgesetzt werden, die sowohl ökonomisch als auch sozial verantwortlich sind.

Reallabore…

  • … betreiben Wissenschaft für die Gesellschaft
  • … betreiben Wissenschaft in der Gesellschaft
  • … betreiben Wissenschaft mit der Gesellschaft
  • und erforschen so den nachhaltigen Wandel aus der Innenperspektive

Die Arbeit mit Testflächen und die damit verbundene aufsuchende Beteiligung sind eine wichtige Grundlage, um mit allen Beteiligten ins Gespräch zu kommen, auch über größere Veränderungen der Freiräume in der Siedlung. In diesem partizipativen Gestaltungsprozess ist das Ziel die Offenheit für Maßnahmen, Standorte und Nutzungsmöglichkeiten. Neben der baulichen Intervention steht die Verstetigung und eine langfristige Verantwortungsübernahme der Bewohnerschaft im Fokus, auch um den in der High-Deck-Siedlung verbreiteten sozio-kulturellen und -ökonomischen Herausforderungen mit niedrigschwelligen, positiven und verbindenden Angeboten zu begegnen. Dies dient einerseits der Sensibilisierung und Akzeptanz bezüglich der vorgesehenen Maßnahmen, andererseits wird das soziale Miteinander der Bewohnenden verbessert.


Die High-Deck-Siedlung ist an einigen Orten heißer als an anderen. Genau an diesen Orten soll erprobt werden, welche Maßnahmen helfen können, die enorme Hitze ertragbarer zu machen. Welche Orte können in Zukunft zum Aufenthalt genutzt werden, die bisher vielleicht gar nicht dafür genutzt werden? Funktionieren diese Maßnahmen gut oder weniger gut und kann man sie auf andere Orte in der Siedlung auch anwenden? Im Rahmen des Reallabors können hierzu Antworten und wichtige Erfahrungen gesammelt werden.

Darüber hinaus möchten wir erproben, inwiefern die geplanten Maßnahmen zur Hitzevorsorge wichtige Erkenntnisse liefern, um mit den zuständigen Denkmalschutzbehörden einen Dialog anzuregen. Angestrebt wird eine klimaangepasste, nachhaltige Umgestaltung der Siedlung, bei der die prägende bauliche Struktur weiterhin erlebbar bleibt. Das beinhaltet auch Antworten zu finden, auf die Frage, wie man Denkmal Ensemble in die Zukunft und Bedarfe eines Quartiers angepasst entwickeln, transformieren kann. Die Verbindung zwischen Klimaschutz/-anpassung und Denkmalschutz soll bei der Dokumentation berücksichtigt werden. 

Ein zentraler Aspekt dieses Ansatzes ist die partizipative Gestaltung des Prozesses. Die kooperative Verstetigungsstrategie soll sicherstellen, dass die im Rahmen der Reallabore gewonnenen Erkenntnisse und umgesetzten Maßnahmen nachhaltig verankert werden.


Im Zuge der strategischen Quartiersentwicklung hat die HOWOGE einen Rahmenvertrag „Quartierskonzeption“ im Jahr 2021 mit 4 Rahmenvertragspartnern geschlossen. Diese Teams sind ein Zusammenschluss von Büros, welche die unterschiedliche Sichtweise aus Architektur, Städtebau, Landschafts-, Verkehrsplanung permanent in eine integrierte Betrachtungsweise entsprechend der dreifachen Innenentwicklung führen. Über eine Projektlaufzeit von über 8 Monaten verfassen die Teams eine perspektivische Entwicklung der Quartiere für 10-15-20 Jahre. Dabei reicht die Betrachtungsweise über die Grundstücksgrenzen der HOWOGE hinaus und lädt Stakeholder zum Gespräch über die gemeinsame Entwicklung das gesamten Wohnumfeldes ein.

Yellow Z, gruppe F und Ramboll haben gemeinsam die „Quartierskonzeption High-Deck-Siedlung“ von Mai bis November 2024 entwickelt. Dabei hat gruppe F sich intensiv mit dem Freiraum, vor allem der Hitzeentwicklung und dem Regenwassermanagement auseinandergesetzt, und sich umfangreich Wissen und Akteurskenntnis zum Quartier und seiner baulichen Strukturen angeeignet. Mit der Beteiligung als Modellvorhaben bei Urban Heat Labs haben wir die Möglichkeit, gemeinsam mit gruppe F einen Baustein des Konzeptes für die Umsetzung vorzubereiten. Die Partizipation der späteren Nutzer:innen am Planungsprozess ist hierbei das zentrale Anliegen.


Das Team „Forschungsprojekt Urban Heat Lab – High-Deck-Siedlung“ wird das Frühjahr 2025 nutzen, um Anwohnende und Interessierte, im Besonderen Jugendliche, junge Erwachsene und Frauen*, sowie bestehende Akteur:innen und aktive Gruppen mit Thema Freiraum zum Projekt zu informieren und aktivieren. Aus den auch dabei gesammelten Informationen wird das Vorgehen fortlaufend angepasst.

Im Sommer 2025 ist die Installation und damit das gemeinsame Bauen auf den Testflächen geplant. Wir laden alle Interessierten zu diesen gemeinsamen Werkstätten ein. Dazu werden wir rechtzeitig auf unterschiedlichen Kommunikationskanälen informieren.

Die Installationen auf den Testflächen werden bewusst als zwischenzeitliche Lösungen verstanden. Teil des Forschungsvorhabens ist es, gemeinsam mit den Beteiligten Möglichkeiten einer Verstetigung, und auch im Gespräch mit dem Denkmalamt Lösungen für spätere Installationen im Zuge des Sanierungsprozesses der High-Decks zu diskutieren und zu entwickeln.


Wohnen im Baudenkmal

Im südlichen Neukölln liegt die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus entstandene High-Deck-Siedlung. Sie verdankt ihren Namen den hochgelagerten Flächen („High-Decks“), die die fünf- bis sechsgeschossigen Gebäude über Fußgängerwege, Brücken und Rampen miteinander verbinden. Insgesamt gibt es zehn High-Decks, jeweils fünf südlich und nördlich der Sonnenallee. Darunter liegen die Straßen, Parkplätze und Garagen.

Der Entwurf der Architekten Rainer Oefelein und Bernhard Freund wurde in den 1970er und 1980er-Jahren umgesetzt und war einzigartig in Deutschland. Der Baustil galt als mutig und innovativ, weil er sich von den Hochhäusern anderer Großsiedlungen absetzte. Nirgendwo sonst wurde die Idee, Auto- und Fußgängerverkehr auf verschiedenen Ebenen zu organisieren und damit strikt zu trennen, so konsequent umgesetzt. Seit November 2020 steht die High-Deck-Siedlung daher auch unter Denkmalschutz. Dieser Status unterstreicht die städtebauliche und architektonische Besonderheit. Allerdings kann Denkmalschutz auch bauliche Herausforderungen mit sich bringen, die nicht nur das Thema Klimaschutz, sondern auch Klimafolgen und Aufenthaltsqualität betreffen. Denkmalschutz sollte Klimaanpassung und mehr Aufenthaltsqualität im Quartier nicht verhindern.

Mehr Informationen über die High-Deck-Siedlung finden Sie hier.

Auftakt zur Erprobung temporärer Testflächen zur Hitzevorsorge

Nach umfassenden Interviews mit sogenannten „Multiplikatoren“, wie bspw. dem Quartiersmanagement, verschiedenen Jugendeinrichtungen, den Stadtteilmüttern und in Rücksprache mit dem Denkmalschutz, wurden zwei klimarelevante Test-Maßnahmen herausgearbeitet und im Juli 2025 umgesetzt. Ziel war es, die Anwohnenden für Hitzethemen zu sensibilisieren, sie einzubinden und zu eigenem Handeln zu motivieren. Beide Maßnahmen wurden auf der Höhe der Peter-Anders-Straße 15-19 umgesetzt, da es dort laut Klimaanalyse die heißesten Orte der Siedlung sind. Wichtig bei der Auswahl der Maßnahmen war es, auf unterschiedliche Art und Weise auf den speziellen städtebaulichen Bestand der High-Deck-Siedlung einzugehen, um den Schutz vor Hitze und die Erhöhung der Aufenthaltsqualität im Wohnumfeld zu verbessern.

Erprobung eines schattenspendenden Kiezmöbels auf den High Decks (baulich-vegetative Maßnahme)

Im Juli erfolgte der Bau eines multifunktionalen Kiezmöbels, das mit einem schattenspendenden Dach sowie integrierten Beeten ausgestattet ist. Das gesammelte Regenwasser vom Dach wird zur Bewässerung ebendieser genutzt. Die Umsetzung fand im Rahmen eines zweitägigen Workshops statt, bei dem insbesondere Frauen und Kinder aus dem Quartier eingebunden waren. Die Verstetigung zur Nutzung, Pflege, sowie dauerhaften Aufstellung des Kiezmöbel ist Teil des bis 2027 laufenden Forschungsvorhabens. Bisher wird der neue Treffpunkt gut angenommen und wir sehen wir gute Chancen, die Anwohnenden für das Gießen der Pflanzen langfristig zu gewinnen.

Umnutzung bestehender Strukturen unter den High-Decks (nicht-bauliche Maßnahme)

Das Ziel besteht darin, eine Umnutzung der bisher stark funktionsgetrennten Straßenräume in der unteren Ebene der High Decks als schattigen Aufenthaltsort zu testen. Diese bislang als reine Kfz-Stellplätze und Müllplätze genutzten Flächen wurden im Rahmen eines Jugendfestivals aktiv als Spiel- und Aufenthaltsflächen erprobt. Eine Garage wurde temporär zur Bar umgestaltet und zusammen mit den im Quartier tätigen Jugendeinrichtungen durch ein offenes Freizeitangebot ergänzt. Der Raum unter den High-Decks wurde von zahlreichen Kindern und Jugendlichen als Aufenthaltsort angenommen.

Wie geht es weiter?

Es folgt die weitere Evaluation der Maßnahmen im Projektverlauf. In einer Testphase wird der hitzegeschützte Treffpunkt hinsichtlich seiner Funktionalität, der subjektiven Hitzewahrnehmung und der nötigen Pflege dokumentiert – mit dem Ziel einen Prozess der Verstetigung einzuleiten. 

Mit der Installation der Maßnahmen wird bereits ein Modell zur Verantwortungsübernahme und Organisation der Pflege und Unterhaltung mit den Beteiligten etabliert, welches jedoch erst 2026 auf seine Eignung hin bewertet werden kann. Auf dieser Grundlage sind weitere kleine Interventionen und Umsetzungsmaßnahmen für die Jahre 2026–2027 mit den Anwohnenden und unter Einbindung der Akteure und des Denkmalamtes vorgesehen.

Über Urban Heat Labs 

Hitzevorsorge in Stadtquartieren und Gebäuden

Laufzeit: 2024 - 2027

  • Das Projekt ist Teil des Forschungsprogramms Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
  • Durchführung von insgesamt acht Modellvorhaben aus sechs Städten
  • Modellvorhaben der HOWOGE: Reallabor Hitzevorsorge in der High-Deck-Siedlung in Berlin-Neukölln
  • Projektpartner: Yellow Z Berlin Abel Bormann Koch PartGmbB, gruppe F | Freiraum für alle GmbH (gruppe F), Ramboll Deutschland GmbH

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