Hausmann Architekten GmbH und kba Architekten und Ingenieure GmbH

Erläuterungsbericht zum Wettbewerbsbeitrag

Leitidee / Städtebau

Die neue bauliche Setzung beantwortet die heterogene Bestandsbebauung und die unklaren städtebaulichen Kanten ordnend und raumklärend. Die die großformatigen Volumen des Schulneubaus werden dazu genutzt, die städtebauliche Situation zu beruhigen und eindeutige Zuordnungen und Raumbezüge zu schaffen.
Der Neubau ist deutlich von dem derzeit vorrangig als (PKW-) Verkehrsraum wahrgenommenen Kreuzungsbereich zwischen Iranischer Straße, Exerzierstraße, Schulstraße und Heiz-Galinski-Straße zurückgesetzt, wodurch dem Jüdischen Krankenhaus eine Sichtbarkeit im Stadtraum und eine Adresse am neu gefassten Platz verliehen wird. Der städtisch gestaltete Vorplatz vereinigt die Schulwege aus allen Richtungen und schafft Distanz zum Straßenlärm.
Ein eingeschossiger Sockelbereich trennt den Straßen- vom Binnenraum und beherbergt lagegerecht nahezu sämtliche Sonderfunktionen der Nutzung. Er stellt sowohl das funktionale und bauliche Gelenk zwischen Schule und Sporthalle als auch zwischen Straßen- und Binnenraum dar und unterstreicht die Lesbarkeit und Maßstäblichkeit des Ensembles.
Im Norden werden die Compartments dreigeschossig über dem Sockelgeschoss organisiert und orientieren sich in einer U-förmigen Anordnung zum Pausenhof. Der Baukörper bildet dort in der Bauflucht der ehemaligen Altersversorgungsanstalt der Jüdischen Gemeinde den baulichen Abschluss des Areals.
Südwestlich schafft die Setzung der Sporthalle ein maßstabsgerechtes Pendant zum denkmalgeschützten Flügel der ehemaligen Kaiser Wilhelm und Augusta Stiftung in baugleicher Tiefe und fasst damit einen attraktiven Parkbereich ein. Bezüglich der Höhenentwicklung wird eine stadträumlich harmonische Einpassung zudem durch die Anordnung der untersten Hallenebene im Untergeschoss erreicht.
Die Abstandsflächen werden eingehalten, der Schutzstreifen des U-Bahn-Tunnels nicht beeinträchtigt.

Architektonisches Konzept / Erschließung / funktionale Setzungen

Der nach Osten orientierte Hauptzugang wird durch einen eingeschossigen Gebäudeunterschnitt markiert und erweitert den Vorplatz um einen wettergeschützten Bereich. Auch 140 der nachzuweisenden Fahrradstellplätze finden dort vor der Witterung Schutz.
Ein querliegendes Foyer bindet alle zentralen Funktionen ein und erweitert sich vertikal über einen alle Geschosse verknüpfenden, großzügigen Treppenraum.
Die für das Schulleben, die Besucher und die Öffentlichkeit zentralen Bereiche befinden sich sämtlich im Sockelbereich des Gebäudes. Für externe Besucher wird die Sporthalle direkt von der Schulstraße erschlossen.
Die U-form in Verbindung mit jeweils zu zwei Seiten orientierten Foren ermöglicht eine ideale Tageslichtnutzung und die vierseitige Orientierung jedes Compartments bei zugleich störungsfreien Ausblicken aus allen Stamm-, Kurs- und Fachräumen.
Die prominent an der Hoffassade gelegene Haupttreppe bildet das Rückgrad der Schule, bündelt und inszeniert die Wege zu den Unterrichtsbereichen, ermöglicht von allen Ebenen den Ausblick auf die Pausenhoffläche und begünstigt informelle Begegnungen.
Direkt an die Haupttreppe angebunden ist der zentral gelegene Dachgarten im ersten Obergeschoss, welcher auch direkt über die angrenzenden Compartments betreten werden kann.
Die Nutzungsbereiche sind entsprechend der Vorgaben räumlich thematisch zusammengefasst: Mensa und Mehrzweckraum sind zentral angeordnet und schaffen die visuelle und funktionale Verbindung von Foyer/Eingang und Pausenhof.
Neben Mehrzweckraum und Mensa befinden sich auch die Küche, Werk- und Musikräume, die Bibliothek und die Verwaltung im Erdgeschoss. Anlieferung und Müllentsorgung erfolgt, unabhängig vom Schulbetrieb, über die Iranische Straße entlang der nördlichen Grundstücksgrenze. Von dort erfolgt auch die Feuerwehrzufahrt zur Aufstellfläche auf dem rückwärtigen Schulgelände.
Die Compartments sind spiegelsymmetrisch und gleichförmig in den Obergeschossen 1-3 angeordnet. Diese ‚Schulen in der Schule‘ werden durch das ebenfalls jeweils U-förmig organisierte Forum geprägt, welches sich mit Teilbereichen sowohl zur Straßen-, als auch zur Pausenhofseite orientiert.
Die zentral gelegenen Teambereiche der Lehrer sind direkt an das Forum angeschlossen, so auch sämtliche Stammgruppen- und Teilungsräume. Wahlweise können die Unterrichtsräume zum Forum geöffnet oder geschlossen werden.
Über die Unterrichtsgeschosse verteilt liegen die Fachräume jeweils mittig zwischen den Compartments nach Osten orientiert.
Die Lage des unteren Sporthallenniveaus im Untergeschoss ermöglicht die Ausbildung einer attraktiven Zuschauergalerie im Erdgeschoss und damit eine optimale Wegeführung für Schüler und externe Nutzer. Von der erdgeschossigen Galerie bestehen sowohl direkte Wege- und Blickbeziehungen zum Pausenhof als auch zur Straße.
Die darüber gelegene zweite Sporthalle wird durch zwei gleichartige außenliegende Treppenräume und einen Aufzug erschlossen. Die Umkleidebereiche werden dort in der Ebene über den Geräteräumen angeordnet, wobei deren Erschließung anteilig zugleich den gewünschten Zuschauerbereich ausbildet.

Konstruktion / Material / Wirtschaftlichkeit

Die Gebäudeteile wurden typisiert entwickelt und eignen sich dadurch hinsichtlich Planung und Ausführung ideal für eine modulare Bauweise mit hohem Vorfertigungsgrad.
Tragende Wände und Decke des Sockelgeschosses werden sämtlich in RC-Beton (Recyclingbeton) hergestellt. Die Treppenräume und -Läufe nebst Decken und Wänden des zentralen Haupttreppenraums und der Aufzugsschacht werden ebenfalls in Stahlbeton hergestellt.
Die Decken der Obergeschosse im Bereich der Schule werden als Holz-Stahlbeton-Verbunddecke, einachsig spannend, ausgeführt. Außenwände werden als Holzkonstruktion tragend in einer Tiefe von 24cm erstellt, in aufgelösten Bereichen mittels Holzstützen 30/40.
Die Fassaden werden in Modulen mit integrierten Holz-Alufenstern inkl. Raffstores gefertigt und montiert und erhalten vor Ort eine außenseitige Verkleidung aus einer hell lasierten Holzschalung. Diese Bauweise erlaubt eine maximale Flexibilität während Planungs- und Nutzungsdauer und stellt eine verkürzte Bauzeit sicher.
Tragende Innenwände wurden ebenfalls in Holz massiv in einer Stärke von 18-24cm ausgelegt, im Bereich der Gebäudeauskragung in einer Stärke von 32cm.
Die Sporthallen sind als konventionelle Stahlbetonkonstruktion mit Stahlbetonbindern (unten) und Brettschichtholzbindern (oben) geplant. Die Außenwände der im UG angeordneten Nutzungsbereiche werden in WU-Beton erstellt. Die Sporthallen erhalten oberirdisch eine vorgehängte Fassade aus Holzrahmenbauelementen, ebenfalls mit einer hell lasierten Holzverschalung.
Ein direkter Lastabtrag trägt zur wirtschaftlichen Optimierung der Rohbaukonstruktion bei. Dächer wer- den als Flachdächer mit extensiver Begrünung ausgebildet, wodurch eine deutliche Senkung der Abflussbeiwerte erreicht wird.
Die systematischen Gebäudestrukturen, die nachhaltige Mischkonstruktion des Roh- und Ausbaus, die funktionsgerecht gewählten Öffnungsanteile der Fassaden und deren Elementierung und die effiziente Gestaltung der Verkehrsflächen in Verbindung mit kompakt organisierten Sanitärbereichen stellen einen wirtschaftlichen Bau und Betrieb sicher.

Freiraum

Das Gebäudeensemble teilt den Freiraum in zwei prägende Bereiche, den östlich vorgelagerten Vorplatz und den zusammenhängenden Binnenbereich des Pausenhofs. Kreise bzw. Kreissegmente werden als gliederndes Kontrastmotiv den orthogonalen Baukörperkanten gegenübergestellt und ermöglichen eine vielfältige funktionale und gestalterische Differenzierung. Das Konzept ermöglicht ein flexibles, multifunktionales Raumangebot und vermeidet zugleich Nutzungskonflikte. Großzügige Rasen- und Wiesenflächen werden ebenso angeboten wie zahlreiche Orte zur Kommunikation und zum Verweilen. Ein Klassenzimmer im Freien, Tischtennisplatten und Tischkicker verteilen sich frei auf der Grünfläche und schaffen ergänzende Angebote. Durch die Erhaltung und Erweiterung des Baumbestands ist ein Angebot an schattigen Bereichen gegeben.
Im Vorbereich des Haupteingangs und dem Gebäude entlang der Iranischen Straße vorgelagert  befindet sich die erforderliche Anzahl an Fahrradstellplätzen und barrierefreie PKW- Stellplätze. Weitere Fahrradstellplätze werden entlang der Grundstücksgrenze im Bereich des Nebeneingangs der Sporthalle angeboten. Die Anlieferung, Müllentsorgung und -lagerung erfolgen straßennah im nördlichen Anschluss an Mensa und Küche.
Die Gestaltung der Außenanlagen verfolgt eine wassersensitive Strategie. Durch sickerfähige Beläge und oberflächennahe Versickerungsflächen können die Grünbereiche einen Großteil des anfallenden Niederschlagswassers rückhalten.
Der Erhalt und die Ergänzung des Baumbestandes, sowie der niedrige Versiegelungsgrad reduziert zudem Hitzeinseln und bildet diverse, in ihrer Nutzung differenzierte, schattige Aufenthaltsflächen aus.

Schallschutz

Aufgrund der dreiseitig hochgradig lärmbelasteten Lage besteht die Notwendigkeit Vorkehrungen zum Schallschutz sowohl mittels der Grundrissauslegung als auch baukonstruktiv zu treffen.
Die U-Form des Schulbaukörpers ermöglicht die Orientierung vieler Unterrichtsbereiche zur lärmabgewandten Seite. Städtebauliche Kriterien und die gleichzeitig gesetzte Präferenz auf ideale Tageslichtausnutzung und möglichst störungsfreie Ausblicke alle Himmelsrichtungen erzwingt jedoch auch eine Orientierung von Unterrichtsräumen zu lärmzugewandten Seiten. Durch die dort eingeschränkte Möglichkeit der Fensterlüftung wird vom Einsatz einer kontrollierten mechanischen Lüftung auszugehen sein. Aufgrund der damit verbundenen optimalen Raumluftqualität wird dieser Lösungsansatz gegenüber einer alternativ möglichen Kastenfensterkonstruktion bevorzugt.
Der Baukörper seinerseits wirkt schallabschirmend und sorgt für eine Absenkung der Schallpegel im Binnenbereich des Areals.

Brandschutz

Das Gebäude ist in die Gebäudeklasse 5 einzustufen. Aufgrund der Nutzung handelt es sich zudem um einen geregelten Sonderbau. Die Forderungen der Muster-Schulbau-Richtlinie werden berücksichtigt. Bei dem Mehrzweckbereich handelt es sich um einen geregelten Sonderbautatbestand nach Berliner
Bauordnung, hierfür werden die Forderungen der Muster-Versammlungsstättenverordnung berücksichtigt.
Der Unterrichtsbereich verfügt über drei notwendige Treppenräume, die das Erdgeschoss mit allen oberirdischen Geschossen in einem Zuge verbinden und im Erdgeschoss direkte Ausgänge ins Freie aufweisen. Die Rettungswege des Mehrzweckbereiches werden über direkte Ausgänge ins Freie unmittelbar sichergestellt, die vorgeschriebenen Rettungsweglängen werden generell eingehalten.
Das Gebäude wird durch feuerbeständige Trennwände in vorschriftskonforme Brandabschnitte unterteilt. Im Erdgeschoss werden die Trennwände seitlich des Mehrzweckraums (inkl. Garderoben) und der Mensa einschließlich Küche geführt. In den Obergeschossen bilden jeweils die Compartments Brandabschnitte zum mittig gelegenen Fachklassentrakt.
Die Cluster stellen brandschutztechnische Nutzungseinheit ohne notwendigen Flur dar. Die Compartments werden mittig in zwei Brandabschnitte geteilt, der 2. RW wird jeweils über das benachbarte Compartment sichergestellt. Trennwände zwischen den Nutzungseinheiten sind mit feuerbeständigen Wänden und klassifizierten Abschlüssen hergestellt.
Der zweite Rettungsweg der mittig angeordneten Fachklassen erfolgt mittels einer Bypass-Lösung durch die Ruheräume und die daran angrenzenden Compartments.
Die Ausführung eines Sonderbaus in Holzbauweise ist entsprechend der aktuell gültigen Vorschriften nicht geregelt. Daher orientiert sich die überwiegend in Holzbauweise vorgesehene Ausführung der Obergeschosse an der Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise (MHolzBauRL), Abschnitt 5. Zur Kompensation übergroßer Nutzungsbereiche und der Bauart in Holz wird eine Brandmeldeanlage (BMA) mit Alarmierung und ggf. Aufschaltung zur Feuerwehr vorgeschlagen.
Die zweigeschossige Sporthalle verfügt zur Sicherstellung der Rettungswege ebenfalls über zwei not- wendige Treppenräume, welche alle Geschossebenen des Gebäudeflügels miteinander verbinden.

Technische Anlagen / Nachhaltigkeit und Energieeffizienz

Die konstruktiven Setzungen, die Auswahl langlebiger Materialien und die ideal natürlich belichteten Nutzungsbereiche sichern eine langfristige Nutzungsqualität und einen wirtschaftlichen Unterhalt. Die auf das Wesentliche reduzierten Bauelemente und die modulare Bauweise lassen Unterhaltskosten im unteren Bereich vergleichbarer Bauten erwarten.
Das Gebäude wird nach dem KfW55-Standard und den Anforderungen des BNB-Systems (Silber- Standard) errichtet. Durch die optionale Installation einer Photovoltaikanlage auf den Dachflächen kann ein KfW40-Standard erreicht werden.
Wärmeverluste werden durch eine kompakte Gebäudehülle und Dämmstandards entsprechend KfW55 wirtschaftlich reduziert. Durch die Lage der Sanitärräume bleibt das Trinkwassernetz kompakt.
Ausschließlich die Küche und die Sporthalle erhalten zentrales Warmwasser.
Die Deckung des optimierten Wärme- und Warmwasserbedarfs erfolgt durch die örtliche Fernwärmeversorgung. Diese gewährleistet sowohl eine umweltschonende Energieerzeugung als auch einen sehr geringen Platzbedarf im Gebäude.
Eine Wärmeversorgung mittels Erdwärmesonden oder Luft-Wasser-Wärmepumpen sollte im Zuge der Vorplanung alternativ geprüft werden, damit verbunden bestünde die Möglichkeit einer passiven Kühlung in den Sommermonaten. Im Bereich des obersten Geschosses des Sporthallennebenraumtraktes wären dafür hinreichende Technikflächen vorhanden.
Zur Wärmeübertragung werden Heiz-Kühl-Segel vorgesehen, da diese den Anforderungen an flexible Raumkonzepte am besten entsprechen und zudem die Integration von raumakustischen Anforderungen ermöglichen. Anpassungen erfolgen dann i. d. R. lediglich durch angepasste Ansteuerung der Stellmotoren oder Tausch der Adern der Klemmleisten.
Sofern möglich, wird auf eine mechanische Be- und Entlüftung der Aufenthaltsräume verzichtet. Dort werden CO-Ampeln installiert. In den lärmzugewandten Unterrichtsräumen werden Lüftungsanlagen mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung und sparsamen EC-Ventilatoren eingesetzt. Durch die Installation von CO2-Sensoren und eine Schlechtpunkt-Regelung wird der Stromverbrauch minimiert Innenliegende Räume und die sanitären Einrichtungen werden mit einem Abluftsystem versehen. Die notwendige Frischluftversorgung erfolgt im Raumluftverbund mit umliegenden Räumen via Überströmelemente (Z-Profile) in den Wänden oder im einfachsten Fall über gekürzte Türblätter.
Es werden energiesparende LED-Leuchten installiert. Vorgeschlagen wird die Beleuchtung der Compartments dimmbar zu gestalten, um auf unterschiedliche Unterrichtssituationen reagieren zu können. Nebenräume erhalten Präsenzmelder und die Sporthalle eine Tageslichtsteuerung.
Ein strahlungsabhängiger außenliegender Sonnenschutz verbessert den sommerlichen Wärmeschutz. Eine Photovoltaikanlage von bis 500kWp zur Eigenstromversorgung kann auf den Dachflächen nachgerüstet werden. Eine schlanke Gebäudeautomation ermöglich einen bedarfsgerechten Betrieb und trägt zu einem hohen Nutzungskomfort bei.