KUEHN MALVEZZI mit LAN

Visualisierung Garzauer Straße

Architektur:
KUEHN MALVEZZI
LAN

Landschaftsarchitektur:
Atelier lè balto

Tragwerksplanung:
PICHLER Ingenieure GmbH

Technische Gebäudeausrüstung:
WINTER Beratende Ingenieure für Gebäudetechnik Berlin GmbH

Brandschutz: 
Eberl-Pacan Gesellschaft von Architekten mbH

Erläuterungsbericht zum Wettbewerbsbeitrag

Die Compartmentschule als kommunikative Landschaft in der Stadt

Das neue Gebäudeensemble aus Schul- und Sporthallenneubau vernetzt sich mit dem Wohnquartier des Cecilienviertels in Marzahn-Hellersdorf durch differenzierte Freiräume und Wege. Ein hohes Maß an öffentlicher Zugänglichkeit nach Unterrichtsschluss fördert die Integration und schafft Akzeptanz. Mehrzweckraum, Mensa / Cafeteria, Bibliothek und Fachräume Musik liegen ebenerdig mit eigenem Zugang und werden wie die Sporthalle auch außerschulisch genutzt. Der Schulgarten ist ebenfalls für die Nachbarschaft geöffnet.

Schulhaus und Sporthalle werden als klare Baukörper in den gewachsenen Freiraum mit altem Baumbestand eingebettet und folgen dem Prinzip einer kommunikativen Landschaft, die dem pädagogischen Leitbild der Compartmentschule entspricht.  Die einzelnen Teile, ob großmaßstäblich oder kleinmaßstäblich betrachtet, schaffen Kommunikation und graduelle Übergänge zwischen Aktivität und Rückzug, Öffentlichem und Geschütztem, Sport und Erholung, um Nachbarschaften und Gemeinschaften unterschiedlicher Größe miteinander zu vernetzen.

Der Freiraum und die Baukörper werden um das zentrale Aktionsband organisiert, das in Grundstücksmitte von West nach Ost verläuft. Es stiftet Identität und Orientierung, verbindet Schule und Sporthalle sowie alle Nutzungen im Freien. Es strukturiert die Erschließungs-, Pausen-, und Sportflächen sowie die großzügigen Rasenflächen mit den schattenspendenden Bäumen. Ein grüner Saum entlang der Grundstücksgrenze bildet einen etwa fünf Meter breiten Schwellenraum zwischen Schule und Straßenraum, der die kommunikative Landschaft einfasst. 

Die Architektur des Compartments

So wie die Schule eine Stadt in der Stadt ist, bildet jedes Compartment eine Schule in der Schule. Die ISS Garzauer Strasse besteht aus sechs Compartments in drei Etagen. Umlaufend begrünte Balkone verbinden die beiden Compartmentflügel über den zentral angeordneten kaskadenartigen Erschliessungsbereich und schaffen vielfältige Sichtbeziehungen untereinander. 

Das Forum bildet das Zentrum des Compartments und fördert als multipler Schwellenraum die Kommunikation der Schülerinnen und Schüler mit den Pädagoginnen und Pädagogen. Es wird zum Treffpunkt, Arbeitsraum für Einzel- und Gruppenarbeit, Besprechungs- und Bewegungsraum sowie Pausenfläche und erweitert die räumlichen Möglichkeiten der weiteren Unterrichtsräume. 

Um das Forum als pädagogische Mitte eines jeden Compartments gruppieren sich die Stammgruppen und die koppelbaren Teilungsräume sowie ein Ruheraum. Jeweils ein Teambereich mit seinen Nebenräumen ergänzt das Gefüge. Die großen Teilungsräume sind durch Faltschiebewände bei Bedarf gleichzeitig durch die beiden Gruppen der angrenzen- den Stammgruppenräume nutzbar.

Schul- und Baum-Ensemble

Die Setzung der Baukörper erfolgt mit dem Ziel, eine klare Schuladresse an der Garzauer Straße zu schaffen und zugleich so, dass die neue Sporthalle eine eigene Stadtadresse gegenüber der Kita erhält. Die beiden Baukörper bilden gemeinsam mit den bestehenden Turnhallen ein Ensemble, das den hochwertigen Baumbestand erhält und valorisiert, indem die örtliche Topografie mit dem charakteristischen Geländesprung ein Element des neuen Freiraums wird. Zusammen mit ergänzenden Neupflanzungen wie blühendem Weißdorn generieren die Laubbäume im Sommer schattige Freiräume entlang der bestehenden Topgrafie.

Der grüne Saum

Der das Grundstück rahmende grüne Saum besteht aus vorhandenen großen Bäumen und ergänzenden kleineren Bäumen und Sträuchern. Als gemeinsame Fassung der differenzierten Schulfreiräume legt sich der grüne Saum um das Schulgelände und schützt dieses vor Einblicken und die Nachbarschaft vor Schallemissionen, während Schüler und Schülerinnen ihn sich zugleich als begehbare Nischen von innen aus aneignen werden. Die so gefassten naturnahen Vegetationsräume im Innern mit Bäumen, Sträuchern und Rasenflächen laden zu Ruhepausen wie zu Gesprächen ein und werden mit beweglichem Mobiliar sowie mit Sitz- und Liegepodesten ausgestattet.

Das Aktionsband

Der gesamte Freiraum ist um das Aktionsband organisiert. Es verbindet die Nutzungen im Freien miteinander: Freiklassenzimmer und Gymnastikwiese, Schulgarten und Erholungsfläche. Östlich des zentralen Sportplatzes spannt das Band einen Aktivitätsraum zwischen neuer und bestehender Sporthalle mit Spielelementen wie Tischtennisplatten und Balancierelementen auf. Feine architektonische Elemente aus rötlich durchgefärbtem Beton begleiten das Band: Sitzstufen, Treppen und lange Bänke sowie Rampen gestalten die Höhenunterschiede und sorgen für Barrierefreiheit. Im Westen des Schulhauses wird das Aktionsband auf gleicher Höhe um eine Rasenfläche erweitert, die der Kantine als Freiraum mit Tischen und Bänken dient.

Adressen und Orte

Der Haupteingang im Nordwesten ist Adresse und Treffpunkt. Die im Raster gepflanzten Ahorne am Ort bilden den Ausgangspunkt für eine sorgsame Transformation, indem die Bäume von den bestehenden Betonbordsteinen befreit und durch eine wassergebundene Decke zusammengefasst werden. Größere Bäume wie Pappel und Kiefer können im Eingangsbereich mit weiteren Ahornen ergänzend gepflanzt werden, um mit wenigen Eingriffen einen markanten Vorplatz zu formen. Im Südwesten wird der 650m2 große Schulgarten an der Schnittstelle zur Nachbarschaft situiert und öffnet sich mit Obstbäumen, Rollstuhl-Pflanzbeeten, Kompost aber auch Sitzflächen und einer Werkzeughütte der breiten Aneignung.

Regenwassermanagement

Die Oberflächen sind großteils unversiegelt. Die Versickerung ist dezentral in Pflanzflächen und in geschlossenen Rigolen in Übereinstimmung mit der geplanten Flächennutzung vorgesehen: die zwei großen Wiesen nördlich und südlich des Sportplatzes sowie die Pflanzbereiche im Aktionsband sind auch für Starkregenereignisse ausgelegt. Ein geschlossenes Rigolsystem in West-Ostrichtung ergänzt die Versickerungsflächen. Das Schuldach wird als extensiv begrüntes Retentionsdach ausgeführt.

Tragwerkskonzept

Das Gebäude ist auf einem rationellen Raster von 8,55 x 8,55 m aufgebaut. Die kumulierten Anforderungen aus Tragfähigkeit, Durabilität, Materialgerechtigkeit, Akustik, thermischer Speicherfähigkeit, Brandschutz, haustechnischer Integration und architektonischem Ausdruck führen zu einem Primärtragwerk von Stützen und Balken aus Recyclingbeton, in dem ebenengleich Holz-Beton-Hybriddecken auflagern. Letztere bestehen aus Holzbalken mit einer schubfest verbundenen Betonplatte. Die Vorfertigung sämtlicher Elemente als Fertigteile erlaubt eine hohe Präzision gepaart mit einer kurzen Bauzeit. 

Die gewählte Konstruktionshöhe gewährleistet dabei zum einen die erforderliche Gebrauchstauglichkeit (Verformungs- sowie Schwingungsverhalten) und ermöglicht zum anderen die Integration systemischer Durchbrüche zur Führung der haustechnischen Medien. Gleichzeitig leistet sie durch ihre thermische Masse in Kombination mit Nachtauskühlung einen wichtigen Beitrag für die Behaglichkeit im Sommer. Die vorgelagerten Balkone werden thermisch entkoppelt an die Randunterzüge angeschlossen. Zur stützenfreien Überspannung des im Erdgeschoss angeordneten Veranstaltungsbereichs übernimmt ein wandartiger Träger im Obergeschoss den Lastabtrag der Geschossdecken. Interne Nutzlasten von 5 kN/m² auf der Geschossdecke bieten nachhaltige Traglastreserven für zukünftige Umnutzungen. Alle Dächer sind für mindestens 2 kN/m² Nutzlast ausgelegt und ermöglichen somit extensive Dachbegrünungen sowie die Aufstellung von Photovoltaikmodulen. 

Die separat positionierte Sporthalle wird ebenso als Holz-Beton-Hybrid-Konstruktion mit hohem Vorfertigungsgrad erstellt. Das Dachtragwerk orientiert sich mit seiner Form an den umliegenden Bestandshallen und nutzt diese gezielt für eine materialreduzierte Überspannung der Spielflächen.

Haustechnisches Konzept

Die Heizwärme wird über das vorhandene Fernwärmenetz bereitgestellt. Der gute Primärenergiefaktor von 0,45 unterstützt die Einhaltung der EnEV- Vorgaben. Die Warmwasserbereitung wird durch den Einsatz von Solarthermischen Kollektoren unterstützt. Die Bereitstellung der Anlagentechnik und deren Betreibung erfolgt durch einen externen Dienstleister. Die Beheizung der Sporthalle erfolgt mittels Fußbodenheizung mit adaptiver Regelung, um eine Überhitzung des Raumes zu vermeiden. Deckenstrahlplatten mit den anlagentypischen hohen Vorlauftemperaturen können so vermieden werden.

Die Lüftung aller Räume ist über Fenster möglich. Sie wird durch mechanische Teilklimaanlagen unterstützt, die zu den Zeiten, wo eine Fensterlüftung aus Witterungs- oder anderen Gründen vermieden werden soll, den CO2-geregelten Außenluftwechsel sicherstellen. Die Kanalführung erfolgt an der Decke entlang der Gruppenräume. Damit wird das Forum frei von Installationen gehalten. Telefonie-Schalldämpfer sorgen für eine wirksame akustische Trennung der Räume.

Besondere Bedeutung kommt der lerngerechten Beleuchtung zu. Zu den Zeiten, in denen das Tageslicht nicht ausreichend ist, kommen dimmbare LED- Leuchtmittel mit energiesparender Tageslichtsensorik und Präsenzschaltungen zum Einsatz.

Die Nutzung regenerativer Energien wird durch den Einsatz einer  Photovoltaik-Anlage auf dem Dach realisiert. Neben dem Effekt, dass die Solarenergie den Einsatz fossiler Brennstoffe reduziert, kann das Thema im Unterricht vermittelt und direkt anschaulich gemacht werden. 

Die Summe der geplanten Maßnahmen sorgt für eine nachhaltige Anlagentechnik, einfache Wartung und Betrieb. Die Eingriffsmöglichkeiten durch die Nutzer sind solide und zweckmäßig.

Brandschutz

Entsprechend Schulbaurichtlinie (in Berlin als Muster-Richtlinie) ist die Schule mit einer Höhe > 7 m in Gebäudeklasse 5 einzuordnen. Gleichzeitig kann durch eine Bündelung von Kompensationsmaßnahmen sichergestellt werden, dass das intendierte Schutzziel der Abweichung nach Nr. 2.1 erreicht wird, sodass die Decken der Obergeschosse hoch feuerhemmend (F 60) ausgeführt werden können. Die Kompensationsmaßnahmen werden im Folgenden näher beschrieben.

Brand- und Rauchabschnitte
Die erforderlichen Brandabschnitte ergeben sich aus der räumlichen Organisation des Baukörpers. Durch die Teilung in Cluster, die durch feuerbeständige Wände und Türen getrennt sind, entstehen sichere Bereiche, die einer Ausbreitung von Feuer und Rauch vorbeugen. Die erdgeschossige Mehrzwecknutzung bildet ebenso wie der mehrgeschossige Erschließungsbereich eigene Brandabschnitte. Grundsätzlich gilt, dass alle Flächen > 400 m2 durch Rauchschürzen und -vorhänge in Rauchabschnitte unterteilt werden. Rauch kann sich so nicht unkontrolliert ausbreiten und die Flucht und Rettung der Personen behindern. 

Flucht- und Rettungswege
Die Fluchtwege für Schülerinnen und Schüler wie die Rettungswege für Kräfte der Feuerwehr führen über zwei notwendige Treppenräume und zwei Außentreppen. Jeder Cluster kann im Brandfall über mindestens zwei notwendige Treppen entfluchtet werden. Forums- und Erschließungsflächen dienen als Kommunikations- und Interaktionsflächen. Sie tragen gleichzeitig zur besseren Orientierung und Organisation bei der Flucht in benachbarte Treppenräume bei. 

Baustoffe und Bauteile
Tragende sowie raumabschließende Bauteile sind in der Gebäudeklasse 5 feuerbeständig (F 90) herzustellen. Die Schulbaurichtlinie stellt keine zusätzlichen Anforderungen an Baustoffe oder Bauteile. Das Gebäude wird bis einschließlich Decke über EG in Stahlbeton und darüber in Holz-Beton-Hybridbauweise ausgeführt. Auch bei einer feuerbeständigen Baukonstruktion kann in Berlin Holz als Baustoff für alle tragenden und raumabschließenden Bauteile verwendet werden, wenn der erforderliche Feuerwiderstand gewährleistet wird. Um den Einsatz von Standard-Verbindungsmitteln aus Stahl zu ermöglichen, ist es wünschenswert, die Deckenbalken lediglich hoch feuerhemmend (F 60) auszuführen. Durch die Unterteilung in Rauchabschnitte < 400 m2 sowie die Bereitstellung mehr als ausreichender Fluchtwege wird dem Schutzziel Rechnung getragen. Daher ist die hoch feuerhemmende Ausführung der Decken des 2. und 3. OG gerechtfertigt.

Löschsysteme, Systeme der Brandfrüherkennung
Durch die Einteilung in Rauchabschnitte < 400 m2 und die Schaffung sicherer Bereiche für Flucht- und Rettungswege wird die Einteilung in Gebäudeklasse 4 äquivalent erreicht. Neben den in der Schulbaurichtlinie geforderten Einrichtungen zur Rauchableitung, zum Blitzschutz, zur Sicherheitsbeleuchtung, Alarmierung und Sicherheitsstromversorgung sind keine aufwendigen Systeme zur Brandfrüherkennung oder Brandbekämpfung – die üblicherweise Mängel im baulichen Brandschutz kompensieren müssen –erforderlich.

Sporthalle
Ebenso wie die Schule folgt die Sporthalle in der Aufteilung der Brandabschnitte den funktionalen Zusammenhängen. Zwei Treppen sorgen für die notwendigen Flucht- und Rettungswege. 

Aufstell- und Bewegungsflächen der Feuerwehr
Das Schulgrundstück ist für die Feuerwehr von allen Seiten erschlossen und bietet in den angrenzenden Straßen die notwendigen Aufstell- und Bewegungsflächen für Rettungs- und Löschmannschaften.