1. Preis - kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH, Köln mit SCHAAR Landschaftsarchitekten München GmbH, München

Erläuterungsbericht zum Wettbewerbsbeitrag

Die Bebauung entlang der Vulkanstraße folgt einem städtebaulichen Prinzip, das einerseits an den Bestand anknüpft und diesen einbezieht, andererseits jedoch eine eigenständige, neue städtebauliche Sprache und Atmosphäre entwickelt.

Das Fügungsprinzip, bei dem Baukörper über Eck und offen zueinander positioniert werden, sodass sich Abstandsflächen überlagern dürfen, prägt die Struktur des Bestandes. Das Konzept "Vulkanstraße" greift dieses Prinzip auf und überführt es in ein städtebauliches Kompositionsprinzip, das geeignet ist, Dichte und feinkörnige Baukörperstruktur mit klarer städteräumlicher Raumbildung zu verbinden. Dabei werden nicht nur die Gebäude entlang der Vulkanstraße rhythmisiert, sondern auch die angrenzenden Innenräume, die sich mit dem Bestand verknüpfen und diesen aufwertend integrieren.

Dichte

Das Fügungsprinzip ermöglicht ein hohes Maß an Schallschutz gegenüber der Vulkanstraße. Gleichzeitig entstehen durch die Anordnung über Eck durchlässige, aber dennoch raumbildende Ecksituationen. Für die Wohnungsgrundrisse bedeutet dies eine erhöhte Wirtschaftlichkeit durch den Verzicht auf ungünstige Eckgrundrisse (z. B. nach Norden) sowie eine durchgängige Modularität.

Körnung

Die punktförmigen, unterschiedlich hohen Baukörper bilden zur Vulkanstraße hin kleinteilige Adressräume aus und schaffen differenzierte Freiräume in Verbindung mit dem Bestand. Aus dem Inneren des Clusters werden gezielte Blickachsen akzentuiert, wodurch stadträumlich eigenständige Platzsituationen entstehen, die sich zugleich über das Fügungsprinzip mit dem Bestand verknüpfen.

Zukunftsorientierte Entwicklung

Das neue Quartier ist als zukunftsgerichteter, nachhaltiger und autofreier Stadtraum konzipiert. Ziel ist es, möglichst viele versiegelte Flächen zu entsiegeln, um ein klimaangepasstes und perspektivisch CO2-neutrales Quartier zu schaffen. Bestehende Stellplätze werden rückgebaut und in Quartiersgaragen verlagert, die so geplant sind, dass sie zukünftig in Wohnnutzung umgewandelt werden können.

Rhythmisierter Stadtraum

Die bestehende Scheibenstruktur wird über das neue städtebauliche Leitprinzip von "Dichte und Körnung" zu einer urbanen, räumlich vielschichtigen Struktur weiterentwickelt. Durch die architektonische Ausformulierung wird das einfache Konzept von "vorne und hinten" neu interpretiert und in ein räumlich-landschaftliches Netz von Teilräumen überführt.

Quartiersplatz

Der großflächige Grundriss des bestehenden Aldi-Markts wird durch eine Aufstockung transformiert und zusammen mit einem zusätzlichen Baukörper mit erdgeschossiger Gewerbenutzung zu einem zentralen Stadtraum geformt, der den Bestand integriert. Der bestehende Baumbestand wird erhalten und in die Gestaltung einbezogen. Es entsteht ein attraktiver Treffpunkt, an dem sich zahlreiche Wege kreuzen und der als identitätsstiftender Ort für alle Bewohner des Quartiers dienen kann.

Adressplätze

Entlang der Vulkanstraße entstehen durch die differenzierte Körnung Adressplätze, die einerseits die Straße rhythmisieren und andererseits jedem Baukörper eine eindeutige Adressbildung ermöglichen und führen die Akteure von der stark frequentierten Straße in die ruhigen Freiräume. Sie fungieren und funktionieren als Freiraumgelenk und Auftakt zwischen dem Quartier gleichermaßen.

Leitmotiv "Dichte und Körnung"

Das Leitmotiv generiert eine scheinbar spielerische, in ihrer Setzung jedoch präzise und eindeutig strukturierte Anordnung von Baukörpern in Hoflagen. Die daraus resultierende Strategie ermöglicht die Ausbildung eines attraktiven und vielschichtigen Stadtquartiers. Die Vulkanstraße erhält damit eine neue, eigenständige Visitenkarte und erfährt eine differenzierte urbane Aufwertung.

Freiraum

Das zentrale Element der Freiraumgestaltung an der Vulkanstraße ist der neue STROM. Dieser durchzieht pulsierend das gesamte Quartier von Süden nach Norden und verwebt den städtebaulichen Bestand im Westen wie selbstverständlich mit den städtebaulichen Neusetzung im Osten. Als das Bewegungs- und Aufenthalts-Achse wird, der STROM als eine MIV-freie Shared-Space-Fläche definiert, über den der Rad- u. Fußverkehr sowie die Ver- u. Entsorgung mit Anlieferungen (Handwerker / Umzug, u.ä.) für das gesamte Quartier sichergestellt wird.

Der STROM begleitet die Akteure durch das Quartier, vorbei an den grünen Wohnhöfen mit abwechslungsreichem Aktionsprogramm, ruhigeren, landschaftlich gestalteten Bereichen und Orten der nachbarschaftlichen Begegnung. Die organische Wegeführung ermöglicht zudem einen bestmöglich Erhalt der meisten, ortsbildprägenden Baumstrukturen.

Zentral gelegen weitet sich der Storm in der Mitte des Quartiers zu einem großzügigen Platz auf, der als identitätsstiftender Mittelpunkt dient und Veranstaltungen sowie spontane Begegnungen ermöglicht.

Die Vulkanstraße selbst wird durch eine Fahrbahnverschmälerung, Neuanlegen von sicheren Fahrradwegen und Aufwertung des Straßenraumes mit Baumpflanzungen sinnfällig aufgewertet.

Großer Wert wurde auf die Entsiegelung von Flächen gelegt, dies schafft attraktive Aufenthaltsorte und unterstützt ein nachhaltiges Regenwassermanagement. Zusätzliche Retentionsflächen und Verdunstungsmulden mit üppiger Vegetation abgepflanzt, übernehmen die Wasserrückhaltung und sorgen mit dem Baumbestand für ein angenehmes Mikroklima. Die geringe Versickerungsfähigkeit vor Ort kann so zum Teil gut kompensiert werden.

Die Wohnhöfe werden entspr. ihrer räumlichen Qualtäten und stadträumlich plausiblen Nutzungen als Treffpunkt mit z.B. landschaftliche Sitzstufenanlage, Urban Gardening-Flächen für gemeinschaftliches Gärtnern, Baumhaine als schattenspendende Aufenthaltsräume, einem naturnaher Landschaftsteich, Grill- und Picknickbereiche sowie vielseitige Flächen zum Treffen und Spielen konzipiert.

Erweitert wird das Angebot mit sinnfälligen Spielflächen unterschiedlicher Themenbereiche – von kleinen, privateren Spielbereichen für Anwohner bis hin zu großen, öffentlichen Quartiers-Spielplätzen mit vielfältigen Geräten. Das Sportangebot mit einer breiten Auswahl: von Kleinspielfeldern für Fußball und Basketball über Parcoursflächen bis hin zu Calisthenics-Anlagen für alle Altersgruppen findet seinen Platz auf Dächern und entlang der Vulkanstraße im Norden.

Beurteilung des Preisgerichts

Städtebau

Der Entwurf arbeitet mit den städtebaulichen Bausteinen Zeile und Punkt, wobei die Punktbauten in ihrer Dimensionierung variieren. Entlang der Vulkanstraße wird eine Sequenz von Freiflächen, Plätzen (Adressplätzen), Zeilen- und Punktbauten vorgesehen, die eine angemessene Gliederung des Raums sowohl straßenseitig als auch zu den Bestandsbauten hin bewirkt. Diese Rhythmisierung wird vom Preisgericht positiv beurteilt. Auch die Körnung der Neubauten wird für angemessen im Kontext der Bestandswohnbauten gehalten.

Der im Inneren entstehende Freiraum fließt weitgehend, wird jedoch durch die Neubauten gegliedert und gefasst – z.B. am mittigen „Quartierstreff“ (Quartiersplatz). Hier wird eine großzügige Freiraumgestaltung vorgeschlagen, die jedoch in der weiteren Bearbeitung das Erschließungserfordernis der Bestandsbauten wird berücksichtigen müssen.

Bei den „Adressplätzen“ könnte die Positionierung der raumbildenden Neubauten insbesondere bei der dreiseitigen Fassung verbessert werden. Auch wenn die Erschließung der Zeilenbauten von der Vulkanstraße aus für richtig betrachtet wird, ist die Bespielung der Adressplätze als Vorplatz der anderen Bauten wichtig.

In seiner Höhenentwicklung bleibt der Entwurf weitgehend unterhalb der Bestandsbauten. Ausnahme stellen die zwei Hochpunkte dar, deren Platzierung an der Hertzbergstraße bzw. am südlichen Schwenk der Vulkanstraße nachvollziehbar erscheint. Die Höhe an der Herzbergstraße / Ecke Vulkanstraße ist folgerichtig an der Stelle.

Bei den Punktbauten (Mehrspänner) werden Feuerwehraufstellflächen geplant werden müssen. Sie brauchen ein Sicherheitstreppenhaus light oder eine Anpassung der Gebäudekörper mit geringeren Tiefen. Bei den Zeilenbauten sichern die durchgesteckten Erschließungskerne den Zugang zum Wohnhof.

Bei den Quartiersgaragen im südlichen Abschnitt sowie an der Landsberger Allee wird ein schmaler Baukörper gewählt, der lediglich mit Mittelfahrgasse funktioniert.

Die vorgeschlagenen Gebäudetypen stellen eine wirtschaftliche Lösung dar. Der Entwurf weist die höchste Gesamt-GFZ auf. Im Vergleich zu den anderen Arbeiten bezüglich der GRZ und Flächenversiegelung liegt diese Arbeit in etwa im Mittelfeld.

Die Holzmodulbauweise bei den Quartiersgaragen bildet ein gutes Angebot auch bei einer abschnittsweisen Entwicklung des Wettbewerbsgebiets. Bei den angedachten Höhen von i.d.R. VI bis VIII Geschosse lassen sich solche Modulbauten gut realisieren. Die mögliche Umwandlung der Quartiersgaragen in Wohngebäude wird positiv beurteilt.

Die offensichtlich dargestellte serielle Bauweise wird positiv beurteilt. Die Nachverdichtung im südlichen Wohnblock der Bestandsbebauung wird kritisch gesehen.

Freiraum und Erschließung

Der Freiraum ist gut kohärent ablesbar und durchzieht den gesamten Planungsparameter in einer klar ablesbaren Gestaltung. Entlang der Vulkanstraße wird eine Abfolge von freiräumlichen Setzungen entwickelt, die die Länge der Straße gut gliedern und Orientierung bieten. Die sogenannten Adressplätze bieten einen adäquaten Auftakt im Norden und Süden und bieten in ihrer Wiederholung entlang der Vulkanstraße einen Wiedererkennungswert. Die Ausrichtung der gewerblichen Nutzungen zu diesen Plätzen erscheint sinnvoll und kann die Plätze gut beleben. Weitere Freiraumfunktionen zur Programmierung der Plätze könnten hier ergänzend vorgesehen werden. Ebenso sind die Sportnutzungen sowie große Retentionsräume entlang der Vulkanstraße sinnvoll gesetzt.

Der Grünraum zwischen Bestandsgebäuden und Neubauten ist in dem Sinne hervorzuheben, dass er große freie Grünflächen mit diversen Spiel- und Aufenthaltsangeboten im Grünen anbietet. Diese zusammenhängenden Grünflächen bieten großes Potential zwischen Bestand und Neubau zu vermitteln und allen Bewohner:innen Erholungs- und Aktivitätsräume anzubieten und als Treffpunkt zu fungieren. Der große Quartiersplatz wird sinnvollerweise zentral verortet und fungiert als Gelenk zwischen Bestandssiedlung und Quartiersergänzung. Hierfür wird die Elli- Voigt-Straße in ihrem Verlauf verändert. Flächen für die Versickerung und Verdunstung, Erhalt von Bestandsbäumen, Spielplätze und Urban Gardening Flächen werden gut in den Freiraum integriert und bieten eine abwechslungsreiche Abfolge von Freiraumsequenzen. Die stark mäandrierende Erschließung wird kritisch gesehen, da sie teilweise für Ver- und Entsorgung sowie Feuerwehrrettung zu schmal und zu konzeptuell scheint.

Empfehlungen für die Überarbeitung

  • Überarbeitung des Freiraumkonzeptes, um die verkehrliche Erschließung der Bestandsbauten zu gewährleisten und Aspekten wie Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit stärker Rechnung zu tragen.
  • Erschließung zwischen Bestand und Neubau ist zu überprüfen (Ver- und Entsorgung, Anlieferung, Feuerwehr) und ggf. an die Bestandserschließung anzupassen, ebenso der zum Grünzug umgeplante Straßenraum der Bernhard-Bästlein-Straße.
  • Prüfung der Anordnung von notwendigen Feuerwehraufstellflächen bei den Punktbauten (Mehrspänner).
  • Anzahl der Adressplätze ist ggf. zu reduzieren; funktionale Differenzierung der sieben „Adressplätze“ in Abhängigkeit von der jeweiligen Lage und der direkt angrenzenden Nutzungen (Einzelhandel, soziale Nutzungen, Wohnen usw.).
  • Die weitreichende Überplanung vom öffentlichen Straßenland wird in der Umsetzung als sehr problematisch beurteilt; alternative Lösungen sind zu prüfen.
  • Stufenweise Entwicklungsfähigkeit der Neubaukörper wie auch der Freiraumgestaltung ist zu prüfen und ggf. zu verbessern; auch die mögliche Genehmigung einzelner Abschnitte nach § 34 BauGB - in diesem Zusammenhang Verringerung der Überlagerung von Abstandsflächen wünschenswert.
  • Prüfung der beiden Quartiersgaragen mit Mittelfahrgasse auf Funktionalität und Wirtschaftlichkeit.
  • Prüfung der Anwendung/Integration des von der HOWOGE entwickelten Typen- Hochhauses.