2. Preis - Winking Froh Architekten, Berlin mit studio polymorph Landschaftsarchitekten Bernard & Wazczuk PartGmbB, Berlin

Erläuterungsbericht zum Wettbewerbsbeitrag

Leitbild klimagerechte Stadtplanung

Die Stellplatzflächen an der Vulkanstraße bilden ein sehr großes Potential für dringend benötigten Wohnraum. Zugleich sind Sie aber auch ein wichtiges Potential für den klimagerechten Umbau Berlins durch Entsiegelung. Ziel des städtebaulichen Entwurfs ist es, die optimale Balance zwischen Entsiegelung und Verdichtung sowie Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz zu finden:

  • Durch kompakte, präzise gesetzte neue Wohnhäuser in serieller Holzbauweise
  • Durch die Planung von Quartiersgaragen und Mobility-Hubs und
  • Durch die Schaffung von differenzierten grünen Freiräumen

So erhält die Großwohnsiedlung Fennpfuhl eine neue städtebauliche Schicht, eine diffundierede lebendige Stadtkante entlang der Vulkanstraße für mehr Wohnraum, mehr Grün und mehr attraktiven Stadtraum.

Disposition

Vorgeschlagen wird die Arrondierung des Quartiers mit insgesamt etwa 660 Wohnungen, Gewerbeflächen bzw. Hybridnutzungen oder Folgeeinrichtungen, zwei Quartiersgaragen für 253 Fahrradstellplätze und 586 PKW-Stellplätze als Mobility-Hub.

Auftakt Landsberger Allee

Hier entsteht eine viergeschossige Quartiersgarage mit 152 Stellplätzen. Das Erdgeschoss umfasst den neuen Standort für den Aldi-Markt. Die vom Kreuzungsbereich zurückgesetzte Anordnung lässt ein großes Sichtfenster auf die denkmalgeschützte Anlage des Wasserwerks offen.

Die beiden nördlichen Blöcke

Ziel ist die weitgehende Entsiegelung der Stellplatzanlagen entlang der Vulkanstraße und die Schaffung einer grünen Promenade mit Neuordnung der Müll- und Fahrradabstellflächen. Im Bereich der Bernhard- Bastlein-Straße schließt ein Zehngeschosser in Analogie zum südlichen Neubau das Ensemble.

Elli-Voigt-Straße

Durch ein zwölfgeschossiges Punkthaus, eine achtgeschossige Wohnzeile und eine Quartiersgarage mit Mobility-Hub und Gewerbe entsteht ein räumlich gefasster und geschützter Quartierpark und Quartierplatz für alle.

Zwischen Elli-Voigt-Straße und Herzbergstraße

Hier wird die grüne Promenade durch einen neu geschaffenen Hof geführt. Entlang der Vulkanstraße komplettieren ein weiteres zwölfgeschossiges Punkthaus und eine achtgeschossige Zeile die Stadtkante entlang der Vulkanstraße.

Zwischen Herzbergstraße und Paul-Zobel-Straße

Zentral an der Tramlinie gelegen, schafft ein sechzehngeschossiges Hochhaus das „Tor“ in das Quartier Fennpfuhl. Lage und Höhe folgen dem Hochhausleitfaden Berlins. Im Süden, im Fokus der Paul-Zobel- Straße, schafft eine sechszehngeschossige kurze Hochhauszeile den städtebaulichen Abschluss der Stadtkante an der Vulkanstraße. Zwischen die beiden Hochhäuser spannt sich ein Grünzug mit Sportflächen.

Zwischen Paul-Zobel-Straße und Josef-Orlopp-Straße

Auch wenn der große Innenhof augenscheinlich ein Potential für Nachverdichtung bildet, sollte diese grüne Oase mit intakten Großbäumen und Freiflächen verschont bleiben. Stattdessen wird vorgeschlagen, den sechsgeschossigen Gebäudebestand durch eine zweigeschossige Aufstockung in innovativer, vorbildhafter und serieller Holzbauweise zu verdichten. Dies auch im Sinne der geforderten Zielmarke von einer 50- prozentigen Entsiegelung im Quartier.

Nachhaltiges Bauen und Konstruieren

Die gewählten Punkthäuser und Zeilen basieren auf bewährten seriellen Mustergrundrissen und wirtschaftlichen Typologien für bezahlbaren Wohnraum in Holzbauweise. Die Gebäude erhalten Unterkellerungen zur Aufnahme der Technikflächen und für Fahrradräume, die über Rampen erschlossen werden. Alle Dachflächen werden als Retentionsdach intensiv begrünt und mit PV-Anlagen ausgestattet. Die Quartiersgaragen erhalten begrünte, schallabsorbierende und belüftete Fassaden in Kombination mit PVModulen. Die Garagen sind für eine Nachnutzung oder den Rückbau konzipiert.

TGA und Energiekonzept

Die Planung der Gebäudetechnischen Ausrüstung erfolgt nach den Vorgaben der aktuellen FLB der
HOWOGE. Geplant sind Nur-Strom-Häuser mir geringst möglichem LCA-Werten.

Lärmschutz

Um Wohnen entlang der Vulkanstraße zu ermöglichen sind sowohl städtebauliche und bauliche
Lärmschutzmaßnahmen geplant. Für den „leisen Verkehr in der Nacht“ wird mit dem T30-Konzept nachts der
Lärm- und Gesundheitsschutz der betroffenen Wohnungen erzielt. Für den Lärmschutz soll mindestens von
22 bis 6 Uhr die Geschwindigkeit in der Vulkanstraße auf 30 km/h beschränkt werden. Durch die Ausbildung
von Halbloggien mit absorbierenden Unterdecken erhalten die betroffenen Schlafräume zusätzlich
Lüftungsfenster mit entsprechenden Schallschutzeigenschaften. Die Fenster dienen zusätzlich einer
zweiseitigen Lüftung der einhüftlig angeordneten Wohnungen.

Freianlagen

Übergeordnetes Ziel des Freiraumkonzeptes ist es innerhalb des Quartiers ein einheitliches System für die
Neuordnung von Stellplätzen und Müll sowie eine attraktive verkehrsarme Haupterschließung zu schaffen.
Identitätsstiftende Elemente innerhalb einer in serieller Bauweise erbauten Großsiedlung sollten hingegen
die unterschiedlich ausformulierten und thematisch individuell gestalteten Freiräume (Spielplätze, Erholungsund
Sportanlagen) sein. Das Quartier, das sich schon heute in Höfe (privat), Grünzüge (öffentlich) und
Verkehrsflächen gliedern lässt, wird durch die Stellung der Neubauten um weitere Höfe, Grünzüge und einen
zentralen Quartierspark ergänzt. Das Quartier erhält somit eine in sich bessere Verknüpfung und wird
darüber hinaus in die übergeordnete Grünachse zwischen Fennpfuhl und dem Landschaftspark Herzberge
eingewoben.

Höfe und Park

Die Höfe behalten Ihren ruhigen, durchgrünten und schattigen Charakter. Sie haben einen eher privaten
Charakter und dienen als Spielort und Treffpunkt für Alt und Jung. Sportflächen (Kleinspielfeld, Basketball)
hingegen werden eher außerhalb der Höfe angeordnet, um hier Lärmemissionen und Konflikte zu
vermeiden. Den öffentlichsten Charakter erhält der im Zentrum liegende Quartierspark. Der Waldspielplatz
(Klettern, Balancieren, Pumptrack) und der große Spielplatz mit Kleinspielfeld und Quartiersplatz bieten das
Potential, um Menschen aus dem gesamten Kiez zusammen zu führen. Ein Großteil der Bestandsbäume
innerhalb der Freianlagen kann erhalten werden.

Erschließung

Künftig werden das neue Wohn- und Gewerbeensemble der HOWOGE durch eine durchgehende attraktive
Promenade mit Auftaktplätzen in Nord-Süd Richtung erschlossen. Diese soll überwiegend PKW-frei sein und
somit den Charakter einer Spielstraße erhalten. Die Promenade gliedert sich in einen Gehweg- Fahrspur-
Parkierungsstreifen. Dieser bietet Platz für Fahrradstellplätze Kurzparker (Anwohner und Paketboten) sowie
barrierefreie Stellplätze. Die Quartiersgaragen, Gewerbeparkplätze und Müllplätze (überwiegend
unterirdisch) hingegen werden über die bestehenden Anliegerstraßen (Ost-West) erschlossen, um somit den
Verkehr im Quartier maximal zu reduzieren und die Aufenthaltsqualität zu erhöhen.

Stellplätze

Fahrräder finden künftig zu einem großen Teil in den Neubauten und den Quartiersgaragen Platz. Weitere
Stellplätze (freistehende und überdachte) werden dezentral entlang der Kiezpromenade und auch in
geringer Zahl an den Hauseingängen angeordnet. Die überdachten Stellplätze werden überwiegend den
Bestandsmietern zugeordnet, weil diese aktuell sehr wenige Abstellmöglichkeiten haben.
Mobilitätseingeschränkte Anwohner erhalten bei Bedarf einen Stellplatz vor der Haustür (Parkstreifen). Die
Gewerbetreibenden erhalten eigene Stellplätze im Umfeld der Einheiten.

Rückseiten

Die rückwärtigen Bereiche der Bestandszeilen zwischen Bernhard-Bästlein Straße und Herzbergstraße
erhalten neben den benötigen Rettungswegen und Aufstellflächen eine natürliche extensive Gestaltung.
Vorgeschlagen werden hier Nutzungen wie Nachbarschaftsgärten, Beachvolleyball und eine Gassimeile,
Flächen für Hunde und Ihre Halter, um den Nutzungsdruck in den Höfen, dem Grünzug und dem
Quartierspark zu reduzieren und Konflikte zu vermeiden.

Vulkanstrasse

Die Vulkanstraße wird entsprechend der bestehenden Planung verbreitert. Drei neue Übergänge verknüpfen
das Quartier mit dem Gewerbegebiet und dem Landschaftspark Herzberge.

Versickerung

In den versickerungsfähigen Bereichen im Norden und Süden des Quartiers werden unter den
Stellplatzanlagen große Rigolenanlagen vorgesehen. Ein Großteil der befestigten Flächen entwässern
jedoch in die direkt angrenzenden Grünflächen und benötigen somit keinen Anschluss an die Rigolen.

Beurteilung des Preisgerichts

Städtebau

Die Arbeit überzeugt auf grundsätzlicher Ebene durch ihre kompakte Setzung entlang der Vulkanstraße. Durch den geringen Fußabdruck der Baukörper bleibt der Grün- und Freiraum in weiten Teilen zusammenhängend erhalten und kann so öffentliche und ökologische Funktionen aufnehmen. Es ergibt sich eine klare Adressbildung. Positiv hervorzuheben ist dabei auch der respektvolle Abstand zu den Bestandswohnbauten.

Im Umgang mit dem südlichen Bestand erscheint die 2-geschossige Aufstockung der Bestandsgebäude als interessanter alternativer Lösungsansatz, um eine Nachverdichtung im Hofbereich zu vermeiden. Die Schließung des nördlichen Hofes erscheint sinnfällig.

Die Rhythmisierung der Baukörper entlang der Vulkanstraße wird kontrovers diskutiert. Während im mittleren Bereich Hochpunkte und Zeilenbauten positiv und konsistent alternieren, scheint die städtebauliche Setzung südlich der Herzbergstraße abzubrechen. Hier wäre eine straßenbegleitende Bebauung zu prüfen. Die Hochpunkte könnten in ihrer Höhe je nach Standort noch geschärft werden. Das Scheibenhochhaus im Süden hat sich der Jury nicht ganz erschlossen.

Die Hochpunkte, in Anlehnung an die Holzbau-Typenhochhäuser, ermöglichen eine hohe Dichte und können in serieller Holzbauweise errichtet werden. Das Angebot an Wohnungstypen ist vielfältig und die Gebäudetypen sind wiederkehrend. Kontrovers diskutiert wird die Gebäudetiefe der Zeilen und deren Mittelflurerschließung. Dadurch ergäben sich Wohnungen, die nur zur Vulkanstraße ausgerichtet sind. Positiv gesehen werden hingegen die zweigeschossigen EG- Wohnungen mit Atelier- oder Gewerbenutzung.

Freiraum und Erschließung

Der Entwurf weist den größten Anteil an Freianlagen auf und setzt konsequent auf Entsiegelung und Bestandserhalt. Viele Bestandsbäume können erhalten werden. Die „Kiezpromenade“ in Nord-Süd-Richtung dient als interne Erschließung, kann jedoch keine deutliche Aufwertung gegenüber der Bestandssituation abbilden. Die Vulkanstraße ist als Straßenraum mit beidseitigem Fuß- und Radweg als Baumallee geplant. Die Eingangsbereiche zum Quartier und die Mündungen der Zufahrtstraßen bleiben dabei undeutlich, der Raum in seiner Wirkung gleichförmig. Insgesamt werden verschiedene qualitätvolle Freiraumtypologien angedeutet, diese sollten jedoch konsequenter ausgearbeitet werden. Teilweise sind die Nutzungen nicht nachvollziehbar gesetzt, zum Beispiel die Sportflächen oder Stellplatzflächen an wichtigen Kreuzungspunkten. Positiv bewertet werden die Anknüpfungspunkte an die potenziellen Grünzüge entlang des Zwischenpumpwerkes und die Fuge im Süden, auch wenn diese aktuell nicht öffentlich erschlossen sind.

Die großen Höfe in den zurückliegenden Bereichen sind vielversprechend und können als Außenanlagen für Neubau und Bestand entwickelt werden. Auch die privaten Gärten im hinteren Bereich sind als besonderes Angebot in den Erdgeschosswohnungen gut eingegliedert.

Die Freihaltung der südlichen Fläche an der Vulkanstraße erfordert eine qualitätvolle Entwicklung des Freiraumes, die noch aufgearbeitet werden sollte.

Das Regenwassermanagement schlägt Rigolen zur Rückhaltung vor. Der geringe Versiegelungsgrad ist hier positiv wirksam.

Quartiersgaragen sind im Norden an der Landsberger Allee und an der Herzbergstraße richtig positioniert, weitere dezentrale Stellflächen im Quartier sind Gewerbeflächen zugeordnet. Die Anordnung der Fahrradstellplätze in Blocks oder überdachten Fahrradanlagen sowie die unterirdischen Müllstandorte werden kritisch beurteilt.

Fazit

Der Entwurf überzeugt maßgeblich durch seine kluge städtebauliche Setzung, die den Großteil der Baumasse entlang der Vulkanstraße in hoch verdichteten, kompakten Baukörpern platziert und dadurch zwischen Bestandsbebauung und Neubau große zusammenhängende Grün- und Freiflächen ermöglicht. Insgesamt harmoniert der Entwurf in seiner Körnung, seinem Duktus und seiner Eigenständigkeit mit den Strukturen des Bestandes. Es entstehen vielfältige Freiräume mit großem Potential. Die Aufenthaltsqualität, Differenzierung und Orientierung sollte noch weiter im Masterplan differenziert werden.

Empfehlungen für die Überarbeitung

  • Einseitig orientierte Wohnungen zur Vulkanstraße sind zu vermeiden.
  • Der Bestandshof des Neubaus Elli-Voigt-Straße 24 ist in die Freiraumplanung zu integrieren.
  • Müllstandorte und Fahrradabstellplätze sind teilweise in die Gebäude zu integrieren.
  • Pkw-Stellplätze in den Freianlagen sind besser in diese zu integrieren.
  • Eckplätze/Kreuzungsbereiche sind als Plätze mit Aufenthaltsqualität zu gestalten.
  • Die Scheibenbebauung an der Paul-Zobel-Straße ist nicht nachvollziehbar und kritisch zu überprüfen.
  • Die Grundrisstypen in den Zeilenbauten sind für andere Lösungsvarianten unter Berücksichtigung der Lärmschutzanforderungen zu überprüfen.
  • Die Hochpunkte sollten hinsichtlich wirtschaftlicher Aspekte in Errichtung und Betrieb auf die HOWOGE-Anforderungen des Typenhochhauses angepasst werden.