PPAG architects zt gmbh mit FCP Fritsch Chiari & Partner ZT GmbH

Erläuterungsbericht zum Wettbewerbsbeitrag

ENTWURFSKONZEPT

Städtebau – Gesicht der Schule

Der gelebte Alltag in einer zeitgemäßen Bildungseinrichtung verlangt passende Raumstrukturen, die am besten in einer neuen Gebäude-Typologie abzubilden sind. Der neue Stadtbaustein Compartmentschule ist somit Sinnbild, Symbol und Signal für einen neuen Stellenwert von Bildung in der Gesellschaft, für den Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft.
Die tradierte Erscheinung von Schule als autoritäre Wissensinstitution hat somit ausgedient. Aber wie sieht Freude am Lernen und am Forschen, wie sieht Neugier aus? Wie sieht die Stadt der Kinder aus, in der diese im Ganztag acht Stunden am Tag verbringen, in der sie leben?
Die Straßenecke wird nicht von einem Eckgebäude, sondern von einem Hügel artikuliert, der sich aus dem Lärmschutzwall am Eisenhutweg – gleich einer Stufenpyramide bis zu einer Höhe von 8m – entwickelt. Auf den terrassierten Flächen sind unterschiedliche Aktivitätszonen der Kinder untergebracht, sodass von Süden her ein „Was ist denn das – Effekt“ entsteht, der sich durch die Kinder am Hügel aufklärt: Die neue Stadt der Kinder!
Der Lärmschutz wird landschaftlich bewältigt, das Gebäude wird nicht als Lärmpuffer missbraucht, seine Fassade wird für die Kinder gebraucht. Hinter Lärmwall und Hügel schaut die idealtypische Schule hervor. Als eigenständige Gestalt, die sich nur aus sich selbst erklärt: Compartmentschule.

Zeitgemäße Pädagogik – Compartmentschule

Jedes Kind ist verschieden. Die zeitgemäße Pädagogik setzt bei den individuellen Bedürfnissen, Interessen und Talenten von jedem und jeder einzelnen an. Instruktiver Unterricht tritt zunehmend in den Hintergrund. Durch Kleingruppenbasierte Unterrichtsmethoden - auch klassen- und jahrgangsübergreifend - werden maßgeschneiderte Aufgaben verteilt und Team- wie Sozialkompetenz geschärft.
Dieser Schulalltag, der von Projektunterricht und Freiem Lernen und der Verschränkung von Unterrichts- und Freizeit (gebundener Ganztag) geprägt ist, braucht neue Raumstrukturen von höchster Ambiguität, in denen die unterschiedlichsten Lernsettings angeregt werden.
Das Gebäude ist Werkzeug der Pädagogik und Werkstatt der Sinne. Jede Wand ist Regal mit Lehrmitteln, Pinwand, Magnetwand, Spiegel, Bluebox oder Whiteboard.

Schule = Zentrum der Nachbarschaft

Alle Funktionen, die programmgemäß oder erst in 10 Jahren von der Nachbarschaft genutzt werden könnten, liegen im Erdgeschoss. Alle Treppen in die Schule lassen sich leicht abschließen, sodass sichergestellt ist, dass schulfremde nicht in die Schule kommen. Neben dem Sport: Mehrzweckraum, Mensa, Musik (Musikschule), WAT (Werkstätten), Lehrküche (Kochkurs), Bibliothek.

Mensa = Piazza

Die große Mensafläche ist nicht nur Mensafläche. 2 Stunden am Tag wird mittags hier gegessen, aber davor und danach setzen sich hier Kinder, Jugendliche und Pädagog:innen an der Cafeteria zusammen, wenn sie in Gruppen was zu besprechen haben. Oder, die Möblierung gänzlich zur Seite geschoben, macht Platz für die Rede der Direktorin, den Schulball oder enger zusammengeschoben für den dreiwöchigen Betonier-Workshop der SEK II. In der Früh, wenn alle gleichzeitig kommen, ist die Mensa willkommener Pufferraum. Die Mensa ist genug Raum, zum Abstandhalten oder als zentrales Wohn-, Spiel- und Werkzimmer der Schule. Von hier strömen die Schüler:innen in die Compartments, rundum mit Freiraumanbindung in alle Richtungen. Eine große Fläche die aber nicht als solche in Erscheinung

Sporthallen im Mittelpunkt der Schule – unmittelbare Nutzung im Schulalltag

Jede der beiden Sporthallen misst ca. 1.000 m2 und 7m lichte Höhe. Diese riesigen Räume nicht nur im Sportunterricht, sondern auch im Schulalltag zu nutzen, ist Motivation der Konzeption. Ein schneller Kick in der großen Pause, Präsenz von Sport und Bewegung im Schulalltag, die gemeinsame – programmlose – Freizeit aller Schulstufen jeden Donnerstagnachmittag, die Präsentation der Projektarbeit der SEK II (Thema: Freier Fall oder Planeten im Raum) oder … großer Ausweichraum für den Abstandsfall. Sporthallen trotz ihrer inneren Lage natürlich belichtet und durchlüftbar.

Plenumstreppen

Nördlich und südlich an den Sporthallen liegen jene Räume, die Kommunikation und Austausch zwischen den Compartments fördern. Eine Abfolge von Plenumstreppen für jedes Geschoss regt Aktivitäten an, von Übung von Demokratie über informelle compartmentübergreifende Präsentation. Von hier können - Türen auf - die Sporthallen im ersten und dritten Geschoss unmittelbar in den Schulalltag eingebunden werden.

Außerschulischer Sport

Eigener Eingang mit eigenem, zum Schulhaus abtrennbarem Treppenhaus und Aufzug. Eigener, autonomer Zugang zu den Sportaußenanlagen. Dieses Sport-Treppenhaus erschließt auch alle Sporthallen und zugehörigen Umkleiden/ Waschräume. Durch das Versperren einiger Türen entsteht ein autonom funktionierender Sportbereich, von dem die Schule nicht betretbar ist.

Die vertikale Grammatik

des Hauses orientiert sich an der Höhe der Sporthallen. 1. und 2.OG messen die halbe Geschosshöhe einer Sporthalle (= 2 x 4,25m). Drittes und Dachgeschoss sind diesbezüglich schon frei (Geschosshöhe 3,70m). Im EG sind unter der Sporthalle Stützen in der Mensa. Keine erweiterte Spannweite. EG: Geschosshöhe 4,70m (RH 4,00). Im 1. Und 3.OG können die Sporthallen umrundet werden, im 2. und DG bekommen die Sporthallen Luft und Licht.
Verschiedene Raumhöhen für teils gleiche Nutzungen!
Sind für diese Raumstruktur ökonomisch und logisch und vor allem willkommene Bereicherung für die Schule. 
Unterschiedliche Raumempfindungen unterschiedlicher Bewohner:inenn - Werkstatt der Sinne.

Untergeschoss

Einige Archivräume sind bei der Verwaltung im 1.OG situiert (direkter Zugriff). Der Rest im UG. Wie aus der Erfahrung mit ähnlichen Projekten bestätigt, kann die Technikfläche im Vergleich zum Raumprogramm minimiert werden. Der Keller liegt im zentralen Grundstücksbereich unter der Sporthalle. Dadurch keine Schmutzwasseranbindungen an der Kellerdecke und niedrige Bauhöhe. Keine offene Wasserhaltung für die Baugrube erforderlich.

Lernlabor

Gerade der naturwissenschaftliche Unterricht schreit nach zeitgemäßen Unterrichtsformen: Erkenntnisse gewinnen, kommunizieren, bewerten und mit Fachwissen umgehen. So werden die Kompetenzen für die naturwissenschaftlichen Fächer CH, PH, BIO im Rahmenlehrplan des Landes Berlin beschrieben. Das vorgeschlagene Lernlabor (in 2 Teilen) kann unterschiedlich gelebt werden.
1.) Experiment, Präsentation. Die „großen“ und „kleinen“ NAWI-­Räume für den klassischen, seit 250 Jahren geübten Unterricht.
2.) Analog zum Gedanken des Compartments können die Türen des NAWI-Raumes geöffnet werden, wenn Projektarbeit und Freies Lernen in Kleingruppen oder Alleinarbeit, vielleicht klassen- und jahrgangsübergreifend erfolgt. Arbeitsgruppen brüten über ihren maßgeschneiderten Aufgaben, die Großen helfen den Kleinen. Da die Chemie- und Giftschränke der Sammlungen in getrennten, versperrbaren Räumen untergebracht sind, können auch die Sammlungsräume und deren Experimentiertische von den Schüler:innen genutzt werden.
3.) Jeden Dienstagnachmittag ist Lernlabor. Die Schüler:innen, die gerade ein NAWI-Fach am Stundenplan haben oder die, die es in ihrer Freizeit oder AG machen, kommen zu einer Art Tresen: Dort bekommen sie ihre nächste Aufgabe für die kommenden drei Stunden. Sie suchen sich einen Arbeitsplatz im Lernlabor, je nachdem, ob sie Mikroskop, Bunsenbrenner oder Schwebemagnet brauchen.
4.) In einzelnen Sammlungsräumen sind nicht nur die Giftschränke getrennt, sondern auch der Experimentierbereich vom Pädagog:innenbereich. In diesem forschen und experimentieren die Jugendlichen, die am „Jugend forscht“ Wettbewerb teilnehmen. Sie können ihre halbfertigen oder halb-missglückten Aufbauten auch bis nächste Woche stehenlassen.

KONSTRUKTION UND MATERIALIEN

Konstruktion = Hybridbauweise:

Der zentrale Bereich der Sporthallen, der die größten Spannweiten bewältigt als Stahl-Holz-Beton-Verbund Bauweise, die Finger zu den Compartments inkl. Fori in Holz-Kreuzrippen oder Holz-Beton-Verbunddecken und die Stammgruppen und Teilungsräume aller Compartments in reiner Holzbauweise. Die Außenwände sind rundum Holzriegelwände.

Campus KOMPAKT = Ökonomie:

Diese Typologie von Schulhaus weist äußerst gute Wirtschaftlichkeitszahlen aus. Wenig Hüllfläche, geringe BGF, geringer BRI. Das A/V-Verhältnis (oberirdisch!) ergibt hier 0,20 ! Alle inner- und außerschulischen Nutzungen sind mit nur 2 Aufzügen erreichbar.

LÜFTUNGSKONZEPT

Die Lüftung der Unterrichtsbereiche wird mit dem geringstmöglichen Anteil von mechanischen Lüftungskomponenten realisiert. Die Einhaltung der Kriterien der Standards Neubau Schulen ist in den Unterrichtsräumen ohne mechanische Komponenten über freie natürliche automatisierte Fensterlüftung nachweisbar. Falls das nicht gewünscht ist, können auch mechanische (Abluft)komponenten mit moderater Dimensionierung zum Einsatz kommen. Selbst die untere Sporthalle ist über Luftkanäle an den Decken der Umkleiden, die obere frei durchlüftet. Veranstaltungs- , Sanitär- und Küchenräumen werden mechanisch entlüftet.

Tageslicht:

Die Simulation für repräsentative Bereiche ergab, dass für alle Unterrichts- und Arbeitsbereiche ein Tageslichtquotient von mehr als 2% gegeben ist. Im Piazza=Mensabereich ist eine hohe Tageslichtverfügbarkeit gegeben, wobei hier lichtlenkende Außenjalousien ab einer Höhe von 2,50m (Z-Lamelle, kostengünstig) berücksichtigt wurden.
BRANDSCHUTZ / EVAKUIERUNG
Jedes Compartment besteht aus zwei brandschutztechnischen Clustern. Jedem Cluster ist binnen 35m ein erster Rettungsweg (Treppenraum oder Außentreppe) zugeordnet. Der zweite Rettungsweg ist über das angrenzende Cluster gewährleistet. Die Treppenräume sind im Alltag immer offen und werden durch brandfallgesteuerte Tore (mit Schlupftür) oder Brandschutzvorhang verschlossen. Sie entfluchten im EG direkt nach außen.

FREIRAUMKONZEPT

Ein Freiraum, tausend Möglichkeiten!

Der Schulfreiraum als Ort sozialen Lernens und Erholens ist weiterhin als ein fließender bzw. strömender Gesamtfreiraum konzipiert, der sich im EG von der Fassade bis zur Grundstücksgrenze erstreckt und alles miteinander verbindet. Wegerelationen und platzartige Flächen erschließen „spielerisch“ den gesamten Außenraum wobei wichtige Relationen wie z.B. Turnsaal < - > Umkleidemöglichkeiten < - > Spielfeld nun in einer direkten Wegeverbindung stehen. Auch befindet sich hier ein überdachter Bereich (Gebäudeauskragung) als temporärer Witterungsschutz im Freien. Das Kleinspielfeld mit seinem vorgelagerten Fit&Fun Bereich dockt nun an die Schulfreizeitflächen an und ergänzt diesen räumlich wie funktional. Die Laufbahn verläuft jetzt parallel zur südlichen Grundstücksgrenze, der angrenzende Lärmschutzwall kann zugleich als schattige Naturtribüne unter Bäumen fungieren. Der Vorplatz wurde verkleinert und räumlich vom Zufahrts- und Anlieferungsbereich getrennt. Die FW-Zufahrt erfolgt ausschließlich ostseitig.

LÄRMSCHUTZMASSNAHMEN

Entlang der südlichen Grundstücksgrenze befindet sich ein Lärmschutzwall, der sich in Richtung Osten zu einem abgestuften bzw. terrassierten Stadthügel mit Rasenrampen als Wegeverbindung zur Aussichtsplattform entwickelt. Die schallabgewandten Seiten sind natürliche Aneignungsflächen, im Bereich des Spielfeldes dienen sie als natürliche Tribünenfläche. Im weiteren Verlauf ostseitig übernimmt eine z.T. transparente Mauer mit Aus- und Einblicken die Schallschutzfunktion. Weiter im nördlichen Abschnitt der Grundstücksgrenze in Richtung Landschaftspark befindet sich ein modellierter Schallschutzwall, der in Richtung Schulfreifläche Spielfunktion übernimmt. Alle Schulfreiflächen befinden so deutlich unterhalb der 60db Grenze.

ENTWÄSSERUNG

Alle Belagsqualitäten sind offenporig und auf ungebundenen Tragschichten, können selbst Wasser aufnehmen und dieses auch wieder verdunsten. Im Bereich des südlichen und westlichen Schulhofes mit ihren schattenspendenden Baumpflanzungen funktionieren diese Flächen zusammen mit den Baumrigolen wie kommunizierende Gefäße und generieren so großflächig ein angenehmes Mikroklima.
Das Gebäudedach ist extensiv begrünt und zu 100% als Retentionsdach ausgeführt. Terrassen und Dachterrassen sind ebenfalls mit offenporigen Belagsqualitäten ausgestattet. Das anfallende Regenwasser wird somit fast ausschließlich über Verdunstung wieder in den Wasserkreislauf zurückgegeben, wenn nötig, wird überschüssiges gedrosselt in einer Zisterne gesammelt und kann zur Bewässerung verwendet werden.

FAUNA UND FLORA

Eine artenvielfältige Flora mit autochthoner Bepflanzung (Bäume, Solitärgehölze, Sträucher, Gräser und Stauden) sowie Schotterrasen, Wiese und zweimaliger Naturwiese dienen der Fauna als Nahrungsquelle und Lebensraum, den die Schüler:innen im Unterricht und in der unterrichtsfreien Zeit beim Spielen erforschen und erkunden können. Der Schulgarten befindet sich angrenzend am Landschaftspark im Norden.
Zusätzliche Nistkästen, Nützlingshotels, Kletterbaumstämme und Findlinge (Steinschlichtungen) ergänzen den Lebensraum Fauna. Zahlreiche Beetflächen und Hochbeete dienen den Schüler:innen im Rahmen als Versuchsbiotope im Unterricht als auch in ihrer Freizeit.